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Indigener Widerstand in Zeiten des Klimawandels Sápmi

Indigener Widerstand in Zeiten des Klimawandels Sápmi
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ISBN: 978-3-939045-54-0
GTIN/EAN: 9783939045540
Verlage: Graswurzelrevolution
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Indigener Widerstand in Zeiten des Klimawandels Sápmi.
Grüner Kolonialismus im Norden Europas

Von Gabriel Kuhn.

Nettersheim: Verlag Graswurzelrevolution, 2024. Kartoniert, 66 Seiten. ISBN 978-3939045540.

Beschreibung:

Die Sámi sind die indigene Gesellschaft des Nordens Europas. Ihr Siedlungsgebiet, Sápmi, verteilt sich auf die Staatsgebiete Norwegens, Schwedens, Finnlands und Russlands. Im Zuge der Kolonisierung Sápmis erfuhren die Sámi Landraub, Vertreibung und Zwangsassimilierung. Die Grundlagen ihrer Kultur sind von Kolonialmächten ausgehöhlt worden, ihr Glaubenssystem, ihre sozialen Organisationsformen, die Art, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Die Arroganz der Kolonialherren (in diesem Fall der nordischen Nationalstaaten und Russland), die Selbstverständlichkeit der Landübernahme durch aus dem Süden kommende Siedler:innen, die Geringschätzung indigener Lebensweise und Kultur sowie die Härte, mit der die Kolonisierung durchgesetzt wurde, waren allzu bekannt. Bis heute profitieren die nordischen Nationalstaaten von der Ausbeutung Sápmis, wie das traditionelle Siedlungsgebiet der Sámi genannt wird. Immer wieder widersetzten sie sich politischer Diskriminierung und ökonomischer Ausbeutung. In der gegenwärtigen Widerstandsbewegung verbinden sich Kämpfe um Klimagerechtigkeit mit Forderungen nach bedürfnisorientiertem Wirtschaften und indigener Selbstbestimmung. Die samische Widerstandsbewegung ist damit wegweisend für nachhaltige Lebensformen der Zukunft.

  • Einleitung [7]
  • Eine politische Kurzgeschichte Säpmis [15]
  • Grüner Kolonialismus [43]
  • Selbstbestimmung [57]
  • Schlusswort [63]

Aus der Einleitung

Von allen „utopischen“ Sozialexperimenten in der jüngeren Geschichte ist die Kibbuzbewegung Israels zugleich ein Archetypus und eine einzigartige Ausnahme. Aus einer reizlosen Ansammlung von Lehmhütten am Ufer des Flusses Jordan nahm die nahe liegende Idee einer kommunitären Gesellschaft ohne Ausbeutung und Herrschaft in Palästina schnell Gestalt an und erblühte zu einem landesweiten Netzwerk egalitärer Gemeinschaften. Durch gute (und unglücklicherweise auch schlechte) Zeiten hindurch konnten diese Kommunen nicht nur ihre Existenz aufrechterhalten, sondern dauerten in unterschiedlichen Formen über fast ein Jahrhundert hinweg fort.

Im Unterschied zu anderen „utopischen“ Projekten, von denen die meisten nur eine historisch kurze Zeitspanne bestanden oder von der sie umgebenden Mehrheitsgesellschaft mit Argwohn und Misstrauen betrachtet, bisweilen gar verfemt wurden, spielten die Kibbuzim eine zentrale und entscheidende Rolle beim Gründungsprozess einer Nation und der Neuorientierung einer gesamten Bevölkerungsgruppe. Seit den frühesten Tagen ihrer Existenz erfüllten die Kibbuzim eine Vielzahl von Anforderungen, derer die jüdische Renaissance bedurfte: Sie trugen dazu bei, Israels Infrastruktur aufzubauen und bildeten die Grundlagen einer Nationalökonomie; sie übernahmen die Verantwortlichkeit für die massenhafte Aufnahme vieler Tausender von Immigrant*innen; sie schufen eine landesweite Gewerkschaft, der mehr als drei Viertel der gesamten Arbeiterschaft des Landes angehörte; und sie leisteten einen landwirtschaftlichen und industriellen Beitrag für das Land, der noch immer den Anteil der Bevölkerung, der in ihnen lebt, bei Weitem übersteigt.

In keinem anderen Staat haben Kommunen solch eine zentrale Rolle im nationalen Leben gespielt. Doch trotz einer Vielzahl an wissenschaftlichen Studien über die bekannteste aller Kommunebewegungen haben nur wenige von ihnen eine passende Kategorisierung für deren einzigartige Organisationsform gefunden. Meist einigte man sich auf ambivalente Allerwelts-Begriffe wie „Kommunismus“ oder „Sozialismus im Kleinen“. Das System jedoch, das den Kibbuz-Gemeinden über solch lange Zeit hinweg Dienste erwies, ist in Wirklichkeit ebenso weit entfernt vom staatsorientierten Sozialismus wie vom Markt-Kapitalismus. Während nur wenige Beobachter*innen aus dem vorherrschenden Medienbetrieb zugestanden haben, dass die Kibbuzim sogar „ein anarchistisches Element“ enthalten, müsste in viel stärkerem Maße darauf hingewiesen werden, dass die Kibbuzim die ideologischen Abkömmlinge der anarchistischen Tradition sind und nicht der staatssozialistischen Tradition. Der Untersuchung dieser Aufgabe widmet sich dieses Buch. (. . .)
In seinem Nachwort zur englischsprachigen Ausgabe von 1974 von Kropotkins Buch Landwirtschaft, Industrie und Handwerk erwähnt der britische Anarchist Colin Ward den Kibbuz als eines der wenigen Beispiele in der Geschichte, in denen Kropotkins Sozialtheorie einen wirkungsvollen praktischen Ausdruck gefunden habe. Dieser Feststellung folgt jedoch ein Vorbehalt: „Wenn wir die jüdischen Gemeinschaftssiedlungen als praktische Umsetzung von Kropotkins idealer Kommune bezeichnen“, so schreibt er weiter, „dann müssen wir sie ohne Bezug zur Funktion betrachten, die sie in den letzten Jahrzehnten im Dienste des israelischen Nationalismus und Imperialismus eingenommen haben.“

Einige werden sich deshalb gegen die Anführung der Kibbuzim als beispielhaft verwahren. Die Verbindungen der Kibbuzbewegung nach 1948 zum Staat Israel – einem Land, dessen Name innerhalb der gegenwärtigen globalen Linken zu einem Synonym für Apartheid und zeitgenössischen Kolonialismus geworden ist – inklusive jener Kibbuz-Mitglieder, welche in die israelischen Sicherheitskräfte oder die israelischen Streitkräfte [IDF; Israel Defense Force; d.Ü.] oder auch in höhere Polizeiränge eingetreten sind, sind sicherlich auch dafür verantwortlich, warum die Kibbuzim im Allgemeinen von der anarchistischen Bewegung nicht als Partner in ihren Kämpfen wahrgenommen werden. Viele meinen, die schlichte Existenz der Kibbuzim basiere auf der zwangsweisen Vertreibung und Unterdrückung der ansässigen arabischen Bevölkerung der Region, und sie würden jedes progressive Ideal von Gleichheit und sozialer Gerechtigkeit, das die Kibbuzim für sich beanspruchen, als wertlos betrachten angesichts der massiven Ungleichheit, auf welcher die praktische Umsetzung dieser Ideale im Laufe der Zeit basierte.

Per definitionem kann keine Kommune, die offiziell mit irgendeinem Staatswesen liiert ist, als ein anarchistisches Projekt betrachtet werden. Gleichwohl bedeutet dies nicht, dass wir nicht von den politischen Grundsätzen, die innerhalb dieses Kommunelebens verwirklicht wurden, lernen und uns mit ihnen identifizieren könnten. Ein Artikel in der Londoner anarchistischen Zeitung Freedom gab im Jahre 1962 zu bedenken: „[Der Kibbuz] ist eines der besten Beispiele der Demokratie und gewiss eines der bestehenden Projekte, das dem praktizierten Anarchismus am nächsten kommt. Jede lieb gewonnene Theorie des Anarchismus, seien es die Dezentralisierung, der Minderheitenschutz, das ‚Gesetz‘ ohne Regierung, Freiheit anstatt offizieller Genehmigung, die Delegierung der Repräsentation, sind dort täglich praktizierter Bestandteil des Lebens. Im Mikrokosmos kann beobachtet werden, wie eine wahrhaft freie Gesellschaft aussehen wird.
 

Diesen Artikel haben wir am 03.08.2025 in unseren Katalog aufgenommen.