Die anarchistische Synthese und andere Texte
Von Sébastien Faure. Bearbeitet, eingeleitet und mit Annotationen versehen von Jochen Knoblauch.
Lich: Verlag Edition AV, 2007. Brosch., 70 Seiten. ISBN 978-3936049855.
Beschreibung:
Mit jenen, hier nun erstmals zusammen veröffentlichten Texten des französischen Anarchisten, Publizisten und Pädagogen Sébastien Faure (1858-1942) soll zum Einen ein Mensch präsentiert werden, von dem es sich eventuell lohnen könnte auch weitere, bisher nicht übersetzte Texte zu publizieren und zum Anderen sollen jene Texte hier versinnbildlichen, dass bestimmte Themen weder neu noch besonders Zeitgebunden sind.
Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts beschäftigen immer wieder bestimmte Themen die Anarchistinnen: Wie stellen wir uns selbst dar? (s. Die Anarchisten'), eine anarchistische Position zu einem der großen Feinde jeder freiheitlichen Bestrebung, nämlich der Religion (s. Die Verbrechen Gottes) und letztendlich ein Text eines leider immer wieder kehrenden Problems innerhalb der anarchistischen Bewegung, nämlich der Selbstzerfleischung und Bekämpfung unter den Anarchistinnen selbst (s. Die anarchistische Synthese).
- Einleitung von Jochen Knoblauch
- Sébastien Faure: Die Anarchisten (DEA 1925)
- Sébastien Faure: Die Verbrechen Gottes (1904, DEA 1926)
- Sébastien Faure: Die anarchistische Synthese (Teil I + II, 1928)
- Luigi Fabbri: Anmerkungen zu Faure's „Die anarchistische These" (1929)
- Anhang: Zur Person Sébastien Faure
Die Wiederentdeckung von Sébastien Faure
Im deutschsprachigen Raum ist der Name Sébastien Faure (1858 - 1942) weitgehend unbekannt. Der aus Frankreich stammende libertäre Pädagoge und Publizist, der u. a. einen starken Einfluss auf Emma Goldman und Louise Michel hatte, wurde nun von Jochen Knoblauch in Form einer Wiederveröffentlichung von drei, seiner Broschüren wieder in das Bewusstsein zurückgeholt.
Die drei veröffentlichten Essays Faures, die in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts erstmalig ins Deutsche übersetzt wurden, haben trotz der zeitlichen Differenz ihre Aktualität bewahrt. Beim ersten Essay handelt sich es um den Text „Die Anarchisten“, der sich zeitgeschichtlich in die klassischen Selbstdarstellungen der Bewegung (z.B. Errico Malatesta: Anarchie, Alexander Berkman: ABC des Anarchismus) einreiht. In diesem Text versucht Faure entgegen der gängigen – und bis heute gebräuchlichen Missdeutungen des Anarchismus – etwas entgegenzusetzen. Anhand von den drei Aspekten: „Wer wir sind! Was wir wollen! Und was unser revolutionäres Ideal ist!“ präsentiert er – zeitlich bedingt – ein streckenweise sehr pathetisches Bild des Anarchismus, das aber die wesentlichen und bis heute gültigen Grundüberzeugen benennt. Ein weiterer Essay trägt den Titel „Die Verbrechen Gottes“ und ist eine Auseinandersetzung mit dem religiösen Glauben. Basierend auf rationalen Überlegungen widerlegt er den Gottesglauben und propagiert den Atheismus. Weiterhin findet sich der Aufsatz „Die anarchistische Synthese“ in der Sammlung, der noch durch den Abdruck einer Kommentierung durch den italienischen Anarchisten Luigi Fabbri ergänzt wird. In diesem Essay verteidigt Faure die Vielschichtigkeit der anarchistischen Strömungen, die von vielen GenossInnen als eine Schwächung wahrgenommen werden. Auch hier zeigt sich wieder die Aktualität seines Denkens. Statt die Vielschichtigkeit zu akzeptieren und die Heterogenität als Gewinn zu betrachten, neigen viele AnarchistInnen dazu, die von ihnen präferierte Strömung als einzig wahre zu sehen und anderen Strömungen ihren emanzipatorischen Gehalt abzusprechen. Für Faure hingegen besteht die Möglichkeit einer Synthese der unterschiedlichen Strömungen, die sich sehr gut in ihrer ausdifferenzierten Schwerpunktsetzung ergänzen und sich gegenseitig befruchten können. Eingerahmt sind die Texte durch ein knappes Vorwort und eine Kurzbiographie von Sébastien Faure, die eine erste Verortung des Hintergrundes zulassen.
Der Verdienst dieser Veröffentlichung ist, dass wieder ein im deutschsprachigen Raum fast vergessener Autor publiziert wird. Die Edition seiner Schriften ist behutsam vorgenommen, ist aber an manchen Stellen noch ergänzungsbedürftig. So fehlen sowohl bei „Die Anarchisten“ als auch bei „Die anarchistische Synthese“ die Angaben der französischen Erstveröffentlichung. Das sind aber Kleinigkeiten, die sicherlich nur für eine vornehmlich wissenschaftlich interessierte LeserInnenschaft von Relevanz sind. Zu wünschen wäre, dass inspiriert von dieser Veröffentlichung weitere Texte von Faure in deutscher Sprache zugänglich gemacht werden.
Maurice Schuhmann, in: Erkenntnis - E-JOURNAL DER PIERRE RAMUS-GESELLSCHAFT - Nummer 16 - Sommer 2008
Sébastien Faure im O-Ton:
„Als bleibende Feinde des Autoritätsprinzips und seiner unseligen Folgen, werden die Anarchisten nach dem revolutionären Sturm, sowie vor und während desselben sich darauf beschränken, die Masse der Arbeiter immer wieder anspornen, sowie ihre Berater und Wegweiser zu sein. Sie werden die ersten Schritte der Masse stützen und die Richtung angeben für den endgültig geöffneten Weg der freien Organisation des sozialen Lebens.“
„’Wohlstand und Freiheit’, jedem Individuum in seiner weitesten Möglichkeit gesichert, das ist das bleibende Ziel, auf welches die Anarchisten aller Zeiten ihren ganzen Willen gerichtet hatten und richten werden.“
Diesen Artikel haben wir am 10.04.2012 in unseren Katalog aufgenommen.